Jane Uhlig spricht mit Bruder Paulus, Vorstand der Franziskustreff-Stiftung und Rubén Zárate, Bereichsleiter Wohltäter-Beratung
„Ich möchte obdachlosen Menschen direkt helfen und dabei Unternehmen und Privatpersonen glücklicher machen.“
Bruder Paulus, Sie haben Rubén Zárate in die Stiftung geholt, damit die Franziskustreff-Stiftung den Franziskustreff auch langfristig unterstützen kann. Seit wann gibt es diese Einrichtung, die sich um obdachlose Menschen mitten in Frankfurt am Main kümmert?
Br. Paulus: Der Franziskustreff wurde 1992 gegründet von dem Kapuziner Bruder Wendelin. Er wollte, dass obdachlose Menschen in der Innenstadt von Frankfurt Gastfreundschaft während eines ausgiebigen Frühstücks erfahren, bei dem sie auch Sozialberatung angeboten bekommen.
Wie entstand die Idee dazu? Wer hat das Konzept entwickelt?
Br. Paulus: Bruder Wendelin sah, dass obdachlose Menschen 1992 nicht gut versorgt wurden in der Innenstadt von Frankfurt. Und auch nicht im Kloster. Er hat mit Hilfe von vielen Wohltäterinnen und Wohltätern einen Gastraum eingerichtet. Dort sollten – und das ist bis heute einmalig in Deutschland, obdachlose Menschen von Bürgerinnen und Bürgern, die ehrenamtlich mitarbeiten, am Platz bedient werden und Sozialberatung angeboten bekommen.
Welche Botschaft hat der Franziskustreff?
Br. Paulus: Obdachlos gewordene Menschen bleiben unsere Mitmenschen! Begegnen wir ihnen auf Augenhöhe! Lernen wir von ihrem Schicksal! Reichen wir Ihnen unsere Hand! Motivieren wir sie, einen Schritt nach vorn zu machen auf dem Weg zurück in die Gesellschaft, in Wohnen und Arbeiten!
Rubén Zárate, Sie arbeiten nun neu an der Seite von Bruder Paulus in der Stiftung. Welche Erfahrungen können Sie einbringen?
Rubén Zárate: Meine Eltern hatten mit mir und meiner Schwester in jungen Jahren Deutschland und die Schweiz bereist, weil mein Vater ein Stipendium erhalten hatte zum Aufbaustudium hier. Das waren zwei wunderschöne Jahre in Saarbrücken, Düsseldorf, Zürich und sogar Solothurn. Nach unserer Rückkehr in Peru habe ich deswegen auch die Deutsch-Peruanische Schule in Lima besucht. Mit 23 Jahren kam ich erneut nach Deutschland und habe von einer Bankausbildung in Frankfurt geträumt. Das war aber nicht so leicht. Über das Studium der Betriebswirtschaft, das ich selbst finanziert habe konnte ich im Land bleiben. Ich war bei der damaligen Dresdner Bank in Frankfurt tätig, und mächtig stolz, sogar in New York bei der Dresdner Kleinwort Benson ein Praktikum gemacht zu haben. Doch dann kam der Bruch.
Inwiefern?
Ich brauchte ja immer neu eine Aufenthaltsgenehmigung. Für das Studium hatte ich eine, und als das vorbei war, bekam ich keine für eine berufliche Anstellung. Ich wollte aber in Deutschland bleiben. So habe ich mich selbständig gemacht, und über diesen Weg konnte ich mich mit Jobs vor allem in Kommunikations-Abteilungen über Wasser halten. Gleichzeitig lernte ich immer mehr mein Talent einzusetzen, Menschen zu verbinden, Fähigkeiten zusammenzubringen und Türen zu öffnen.
Das sind wichtige Fertigkeiten …
Ja, aber wie setzt man die ein?
Der Durchbruch kam, als ich die deutsche Staatsangehörigkeit erlangte. Ich musste jedoch meinen peruanischen Pass abgeben. Bei einer großen Deutsch-Amerikanischen Unternehmensberatung war ich im Bereich Akquise und Vertrieb schon ganz richtig. Auch im Verlagshaus der F.A.Z., einer Tochter der F.A.Z, sammelte ich Erfahrungen in der Immobilienbranche. Erfüllt hat mich das alles aber nicht. Bis ich dann, wenn Sie so wollen, von Bruder Paulus entdeckt wurde und die Verantwortung für die Wohltäter-Beratung übernommen habe.
Und was ist das genau? Wie muss ich mir das vorstellen?
Rubén Zárate: Die Stiftung hat immer mehr Anfragen von Menschen erhalten, die den Franziskustreff und die Ziele der Stiftung unterstützen wollen. Deswegen wurde ein kommunikationsstarker Profi gesucht. Zudem werden die Wohltäterinnen und Wohltäter, die uns schon lange kennen, älter. Deswegen braucht die Stiftung jemanden, der auch dabei hilft, neue Unterstützerinnen und Unterstützer zu finden, sowohl private wie auch institutionelle.
Stoßen Sie auf offene Ohren?
Rubén Zárate: Seit Mitte September 2020 bin ich Mitarbeiter der Stiftung, und ich muss sagen, dass ich überwältigt davon bin, wie offen sich Unternehmen und Einzelpersonen zeigen, die ich anspreche. Manche haben schon von uns gehört, anderen sind wir neu. Sie verstehen sofort, dass sie hier bei uns einen obdachlosen Menschen wirksam und direkt unterstützen und dabei persönlich soziale Verantwortung wahrnehmen können.
Was haben Unternehmen davon oder Einzelpersonen, die dauerhaft für den Franziskustreff spenden?
Rubén Zárate: Danke für die Frage. Ich finde es nicht ehrenrührig, nach dem zu fragen, was hier im Frankfurter Raum gern Benefit genannt wird oder ROI – Return of Investment. Ich nenne hier nur einige Punkte: Ein Unternehmen positioniert sich klar im Sinne der eigenen CSR – Strategie und wirkt mir der Spende zu den obdachlosen nach außen zielgerichtet und lokal, und wirkt nach innen, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert werden, miteinander sozialer umzugehen, von den Kunden ganz zu schweigen. Für Privatpersonen gilt: Es ist doch beglückend, zu wissen, dass man mit seinem Beitrag direkt und personenorientiert nachhaltig hilft.
Wird denn in Zeiten von Corona überhaupt gespendet?
Rubén Zárate: Ich bin erstaunt und berührt zugleich, welche positive Resonanz ich erhalte. Ich habe schon erlebt, dass Privatpersonen oder Unternehmen sagen: Wir sind ziemlich glimpflich aus diesen Krisenmonaten gekommen. Dafür sind wir dankbar. Wir möchten das zum Ausdruck bringen durch unsere Spende.Bruder Paulus, wie gelingt in Zeiten von Corona ein Frühstück für Obdachlose und arme Mitmenschen anzubieten?
Br. Paulus: Wir sind eine Einrichtung der Daseinsvorsorge. Darum dürfen wir unseren Gastraum geöffnet halten. Natürlich werden uns alle Regeln, die erlassen werden, eingehalten. Und immer wieder neu müssen wir unser Verhalten anpassen. Statt 32 Plätze gibt es nur noch 12, die Aufenthaltszeit mussten wir dadurch verringern, wir müssen mehr mit Kleinverpackungen arbeiten, wenn wir Zucker, Kaffeesahne, Butter, Honig oder anderes anbieten.
Gibt es noch weitere Ziele, die der Franziskus-Treff verfolgt?
Br. Paulus: Wir möchten das Bewusstsein dafür wecken, dass kein Mensch ohne den anderen leben kann. Das kommt aus unserer franziskanischen Spiritualität. Der heilige Franziskus als Patron des Franziskustreffs wird Bruder aller Menschen genannt. Wenn es gelingt, dass Menschen unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft oder ihres Einkommens sich anerkennen als Menschen, die einander brauchen, die nur gemeinsam in dieser Welt bestehen können, dann werden auch obdachlose Menschen eine hilfreiche Hand finden. Und vielleicht muss es dann gar nicht so weit kommen, dass Menschen ihre Heimat verlieren, ihr Zuhause.
Gibt es eine besondere Geschichte, die den Franziskustreff stets begleitet?
Br. Paulus: Das ist unsere Gründungsgeschichte. Die Kapuzinermitbrüder haben Bruder Wendelin gesagt: Wir haben da kein Geld für. Was du da einrichten willst, das ist zu groß. Und er hat geantwortet: Wenn Gott uns die Armen schickt, dann sorgte auch für sie. Das ist unser Motto bis heute.
Wie vielen Menschen konnten Sie bisher helfen?
Br. Paulus: Wir haben täglich im Moment bis zu 110 Gäste, außerhalb von Corona-Zeiten sind es bis zu 180. Täglich führen wir etwa 5-10 Gespräche in der Sozialberatung. Wir konnten schon Menschen ermutigen, wieder mit ihrer Familie Kontakt aufzunehmen. Andere haben eine Wohnung gefunden. Aber es sind immer sehr kleine Schritte, die wir schon als Erfolg sehen: Wenn jemand einmal anfängt, seine Geburtsurkunde wieder anzufordern. Oder die Arbeitsagentur aufzusuchen. Oder mit seiner Mutter zu telefonieren.
Wie viele ehrenamtliche Mitarbeiter arbeiten im Franziskustreff?
Br. Paulus: Wir haben fünf hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und 60 ehrenamtliche. Jeden Tag sind sieben Personen im Dienst. Als Stiftung bürgerlichen Rechts sind unsere ehrenamtlichen aus allen Religionen und Weltanschauungen, um das zu tun, was allgemein menschlich ist: Nächstenliebe zu verwirklichen.
Rubén Zárate, wie können Mitbürger den Franziskustreff ehrenamtlich unterstützen?
Rubén Zárate: Die Möglichkeiten sind vielfältig. Wer sich im Monat regelmäßig zwei oder dreimal von 6:30 bis 12:30 Uhr Zeit nehmen kann, kann in dem Gastraum selbst mitwirken. Oder von 7:30 bis 11:30 Uhr ehrenamtlich unsere Gäste mit ihrem Wunsch nach Sozialberatung begleiten. Oder eine Spendenaktion starten im Kollegenkreis. Oder mithelfen, unsere Aktionen in den sozialen Netzwerken zu unterstützen. Oder Bruder Paulus einladen zu einem Gespräch im Kollegenkreis, um Verständnis zu wecken für obdachlose Menschen. Oder um zu lernen, vom Geist der Gastfreundschaft, den wir im Franziskustreff pflegen.
Wie zeigt sich das Spendenverhalten in Zeiten von Corona?
Rubén Zárate: Ich merke, dass die Menschen aufgeschlossen sind für unser Anliegen, dass wir obdachlosen Menschen in dieser Krisenzeit besonders aufmerksam nah sein wollen. Was an Urlaub gespart wird oder Weihnachtsessen oder anderen Ausgaben, geben manche gerne, damit der Frühstückstisch gedeckt werden kann. Mit einem Wort: Wir können keinen Einbruch verzeichnen. Das ist auch gut so. Denn der Franziskustreff erhält keine kirchlichen oder staatlichen Zuwendungen aus Steuermitteln. Wir sind eine reine Bürgerbewegung. Und dadurch auch unabhängig. Und flexibel.
Br. Paulus, was bedeutet Corona für obdachlose und arme Menschen?
Bruder Paulus: Wenn alle zu Hause bleiben sollen, was machen die, die keines haben? Da sehen Sie schon, was das Problem ist. In den Unterkünften ist es sehr eng. Die gesundheitlich angeschlagen obdachlosen Menschen sind jetzt auch noch besonders gefährdet. Die Ambulanzen der Krankenhäuser sind überfordert, und obdachlose Menschen haben es da dann besonders schwer, wenn sie medizinische Notversorgung brauchen
Rubén Zárate, ist es einfach zu spenden? Oder besser gesagt: Wie können unsere Mitbürger spenden?
Rubén Zárate: Es gibt vielfältige Wege, für den Franziskustreff zu spenden. Ein Frühstück kostet jetzt, in der Corona-Zeit, im Durchschnitt etwa 11 Euro. Am Tag ungefähr 1.100 €. Mit dem können wir Sozialberatung anbieten und unseren Gästen Gastfreundschaft und nahrhafte Speisen anbieten, inklusive eines Lunchpaketes, dass sie sich nach ihren Wünschen bei uns packen können. Manche Firmen übernehmen einen Frühstückstag, Privatpersonen sagen sich: Ich gebe einmal 11 Euro im Monat. Das geht über unsere Homepage. Und Betterplace. Auch in Facebook haben manche Personen schon eine Aktion für unsere Gäste gestartet.
Gibt es auch eine Spendenbescheinigung?
Rubén Zárate: Natürlich, wir sind als gemeinnützig anerkannt. Und werden auch immer wieder überprüft. Am liebsten ist uns eine monatliche Zuwendung, mit der wir dann planen können. Und am Ende gibt es dann eine Jahresspendenbescheinigung.
Bruder Paulus, werden Obdachlose und Arme ausschließlich mit Frühstück unterstützt? Oder wird auch soziale Beratung oder Begleitung angeboten?
Br. Paulus: Von Anfang an hat zum Franziskustreff auch die Sozialberatung gehört. Wir gehen mit unseren Gästen zu Ämtern, begleiten Gespräche mit Angehörigen, wenn sich das anbahnt. Suchen Sie im Krankenhaus. Ermutigen Sie, sich medizinisch unterstützen zu lassen. Gehen mit Ihnen Schuhe einkaufen. Richten mit ihnen die Wohnung ein. Wenn eine gefunden wurde.
Was kann die Gesellschaft tun, damit es weniger obdachlose und arme Menschen in Frankfurt gibt – oder sagen wir auch in ganz Deutschland?
Br. Paulus: Wir fordern schon seit längerem, dass es eine offizielle Erfassung der obdachlosen Menschen gibt. Eine solche bundesweite Statistik ist noch nicht gesetzlich verankert. Zudem fordern wir, dass bei Planungen von Neubauten immer auch Wohnungen berücksichtigt werden und eingebaut werden, die sich Menschen mit geringem Einkommen leisten können und auch Wohnungen, die für Menschen vorgesehen sind, die obdachlos geworden sind. Eigentum verpflichtet, steht im Grundgesetz. Das muss sich auch im Wohnungsmarkt widerspiegeln. Im Bildungsbereich müssen die Hilfestellungen, die die Gesellschaft bereithält für Menschen, die in eine soziale Schieflage geraten, besser unterrichtet werden. Viele Menschen kennen auch einfach nicht ihre Rechte.
Hilft der Franziskustreff ausschließlich Menschen in Frankfurt oder auch im gesamten Rhein Maingebiet oder Hessen?
Br. Paulus: Da Frankfurt-Zentrum ein Ort ist, der von vielen Menschen aus Hessen besucht wird, sind ja auch Menschen, die als Obdachlose in Frankfurt ihr Glück versuchen. Wenn man das so sagen darf. Die Anonymität der Großstadt treibt Menschen ins Stadtzentrum. Insofern sind wir tatsächlich wirksam für betroffene Menschen im Rhein-Main-Gebiet und in ganz Hessen.
Gibt es Zukunftsprojekte im Franziskustreff?
Br. Paulus: Mit dem Frühstück allein ist es nicht getan. Darum haben wir eine gGmbH gegründet. Wir möchten Vermieter finden, die obdachlosen Menschen eine Chance geben für einen Mietvertrag. Natürlich werden die Vermieter damit nicht allein gelassen. Und die neuen Mieter auch nicht. Es braucht auch Arbeitsmöglichkeiten. Und die mehrtägige Versorgung kranker obdachloser Menschen in einer Krankenstation ist auch noch auf meinem Plan.
Was wünschen Sie sich in weiter oder naher Zukunft für den Franziskustreff?
Br. Paulus: Dass es den Franziskustreff nicht mehr braucht. Aber das ist wohl eine Utopie. Darum hoffe ich, dass wir mit unserem Grundangebot des Frühstücks unter Sozialberatung für viele Menschen ein Sprungbrett sind, einen Schritt nach vorne gehen zu können auf dem Weg zurück in die Gesellschaft, in Wohnen und Arbeiten.
Rubén Zárate, was sind Ihre Wünsche?
Rubén Zárate: Es wäre gut, wenn ich Unternehmen und Privatpersonen neu finden kann, die dem Franziskustreff und der Stiftung zur Seite sind, obdachlosen und armen Menschen eine hilfreiche Hand zu geben. Im Gegenzug erfahren Unternehmerinnen und Unternehmer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unternehmen und in ihrem Privatleben, wie beglückend es, direkt und wirksam zu helfen. Denn das ist meine Mission: Ich möchte obdachlosen Menschen direkt helfen und dabei Unternehmen wie Privatpersonen glücklicher machen, die bis jetzt noch nicht den richtigen Spendenpartner gefunden haben.
Bruder Paulus, Rubén Zárate, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
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